Wie clever ist es, Kunden in den kreativen Prozess zu integrieren? Und wenn ja, wie weit. Kreative Kollaborationen stecken voller Chancen und Gefahren. Ich wollte mal meine Erfahrungen teilen – als Inspiration, Fehlervermeidungshilfe, oder Anlass zum Schmunzeln.
Was verstehe ich unter "kreativer Kollaboration"? Das ist jetzt nicht Mittelstands-Manfred, der hinter seinem "Hausgrafiker" steht und die Farbwelt des neuen Firmenprospekts an seinen persönlichen Geschmack anpasst. Ich denke da auch nicht an "Workshops", in denen Social Media Agenturen Mitarbeitern aus Marketingabteilungen zeigen, wie man geile Insta-Videos mit dem Handy ganz einfach selber machen kann. Was ich meine, ist die gemeinsame Entwicklung von Ideen. Ob das nun für eine Kampagne, eine Website, das Employer Branding oder die Social Media Strategie ist.
Dem Frosch die Locken glatt föhnen.
Wie geil ist das denn: Ich mache mit dem Kunden (übrigens gern immer auch _innen) einen Workshop, in dem ich die Anwesenden zu einer Idee hinmoderiere, die ich mir vorher schon grob zurecht gelegt habe. Alle sind Feuer und Flamme und haben beim Ergebnis Pippi in den Augen, weil es jetzt auch ihr Baby ist. Da ist an einer Idee schneller ein Haken dran als eine forsche Agentur-PM "Rebriefing" sagen kann. Der geschmeidige Ritt hat hier aber meist ein Ende. Denn nun folgt die Umsetzung. Und die kann holprig werden, wenn x-Beteiligte ihre "klare" Vorstellung der Idee nicht entdecken. Besonders lustig wird das, wenn es "intern gesourct" wird. Mittelstands-Manfreds Hausgrafiker kotz im Strahl. Elegante Lösung mit großem Unterhaltungswert: Man moderiert die Umsetzung mit dem "Blick von außen".
Wissen ist Macht, Unwissen macht aber auch nichts
Egal, wie viel du liest, recherchierst oder nachfragst ... der Kunde weiß im Zweifel immer mehr über sein Produkt als du. Denn meist sind die wirklich interessanten Dinge tief verborgen unter einer dicken Kruste alter trockener Marketing-Grütze. Mit etwas Glück und vielen fiesen Fragen kann die Kruste in einem Workshop aufbrechen. Das ist in der Regel ein besserer Moment als in der großen Präsentation vor dem Vorstand. Jeder zuckt, der dieses Geräusch kennt, wenn aus einer "Big Idea" langsam die Luft rausblubbert, nur weil einer an der falschen richtigen Stelle, Gretchens Frage in den Raum gestellt hat. Da kannste nur gedanklich in die Faust beißen und leise weinen.
50 Shades of "pfiffig"
Eine frisch geborene Idee ist so unschuldig, wie sie verletzlich ist. Da ist es gut, wenn sie möglichst viele Mütter und Väter hat. Könnte man meinen. Oft sind aber gerade die Wohlmeinenden eine große Gefahr. Sie verhätscheln die Idee. Meist braucht sie aber eine strenge Führung bis sie wirklich groß ist. Viele Eltern verlassen den Kreissaal Workshop völlig glücklich, dass sie gerade eine Idee geboren haben, klopfen sich auf die Schulter ... und dann fühlt sich keiner mehr so wirklich zuständig dafür. Richtig fies wird es in "Erziehungsfragen". Was soll aus der Idee mal konkret werden? "Da brauchen wir jetzt nur noch eine pfiffige Line und schon passt das". Alle nicken. Und jeder hat seine eigene Vorstellung davon, was "pfiffig" ist. Willkommen in Dark Room für frische Ideen.
Auch wenn nicht immer alles glatt läuft, bin ich ein Fan der kreativen Kollaboration geblieben. Weil ich mehr gute Ideen gesehen habe, die auf dem klassischen Weg an den Baum gefahren worden sind: Heute Briefing ... in drei Wochen dann Präsentation.
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