Wenn Marken für alles und nix stehen.
In dem kleinen Kaff, in dem ich aufwachsen durfte, gab es einen Mann, der fuhr immer rote Autos, obwohl er nicht bei der Feuerwehr war. Und er hatte auch immer irgendwie einen roten Kopf. Nicht ungewöhnlich für mich als Kind also, dass mein Vater ihn einen „Roten“ nannte. Ich wusste ja nicht, dass er damit eigentlich dessen politische Einstellung meinte.
Früher war das ganz einfach. Arbeitete man in der Fabrik wurde SPD gewählt. Hatte man einen Handwerksbetrieb oder ein Geschäft stimmte man für die CSU. Einige ganz wenige machten ihr Kreuz bei der FDP. Das waren dann meist „Studierte“ – Anwälte, Ärzte, Lehrer. Und später gab es auch noch ein paar „Grüne“ – erkennbar am „Atomkraft – Nein danke“-Aufkleber und dem Palästinenser-Tuch. Abweichungen von der Linie? Selten bis nie. Genauso war es mit den Autos. Mein Vater war damals ein überzeugter Ford-Fahrer. Weil die, laut ihm, in den 70ern den besten Caravan bauten – so sagte man damals zu Kombis. Mein Onkel war durch und durch Sportler, also ein BMW-Mann. Mein Großvater fuhr Mercedes. Der war sicher und zeigte, dass man was erreicht hatte. Dasselbe mit Zigaretten. Opa wollte vornehm daherkommen, also rauchte er Lord. Sein Außendienstler-Dasein war für meinen Vater immer auch ein Abenteuer – mit einer Camel im Mund. Und wenn es die eigene Sorte im Automaten nicht gab, zog man bewusst Exoten, wie Salem oder Reval. Sein Geld hatte man schön brav auf dem Sparbuch der örtlichen Sparkasse liegen. War man Landwirt brachte man es zur Raiffeisenbank. Das waren schöne übersichtliche Zeiten für Politik und Industrie. Damit ist Schluss. Jetzt lamentieren die einen über den multiplen Konsumenten, die anderen über den Protestwähler. Doch schuld sind sie selbst. Sie haben den Kern ihrer Marken so weit abschmelzen lassen, dass sie heute für alles und nix stehen. Sie sind austauschbar geworden und das machen die Menschen jetzt auch mit ihnen.
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