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AutorenbildFRANK MERKL

Vom Wert der Worte.

Aktualisiert: 5. Dez. 2019

Was nix kostet, ist auch nix wert – sacht Oma immer.

Was darf ein Wort kosten? Sind Verben teuerer als Substantive? Ist ein Satz mehr als die Summe seiner Wörter? Komische Fragen. Die kamen mir aber am Wochenende in den Kopf. Ich hab einen Fehler gemacht. In einem öffentlichen Account auf Facebook was Kritisches schreiben und glauben, man käme unkommentiert davon … doof. Bei Facebook gibt es eine Plattform, auf der man freie und feste Angebote für Textjobs posten kann. Und bei einem Angebot ist der Gaul mit mir durchgegangen.


Ein unmoralisches Angebot? Da sucht jemand „für ein national tätiges Unternehmen aus der Modebranche (…) eine(n) mode-affinen Texter/in“. Es sollen für „mehrere tausend Produkte gehobener Marken (…) einzigartige Produkttexte mit einem Umfang von 150-250 Wörtern“ erstellt werden. Gebraucht wird auch noch „unique Content“. Und man höre und staune „als Vorlage zur Texterstellung dient ein Content Manual.“ Es wird um Referenzen und den Wortpreis gebeten. Ich blöd-eiffrig ins Smartphone getippt … „Texter werden nicht nach Worten bezahlt. Lernt das endlich mal.“ Und dann ging es los. Rechtfertigungen, Beleidigungen und dummes Gewäsch. Für den Angebotsersteller sei es die einzige sinnvolle Möglichkeit so ein umfangreiches Projekt transparent für seinen Kunden zu kalkulieren. Klar, ist ne einfache Rechnung pro Wort soundsoviel Cent. Als würde man Eier oder Schrauben verkaufen. Wenn man nun irgendwelchen Mist schnell runterklappert, kommt man so sicher auch auf seinen Schnitt … wenn man nicht hauptberuflich davon leben muss. Das hat auch nur vermeintlich mit Transparenz zu tun. Mehr hat es zu tun mit Dummheit, Faulheit und Feigheit.


Mit steigender Nachfrage sinkt der Preis Content ist ja jetzt King. Und für viele ist Content Marketing immer noch einfach Text. Und je mehr davon, desto besser. Also steigt die Nachfrage nach Text. Qualität vermitteln vermeintlich drei Buchstaben: SEO. Da frage ich mich immer, wie gut sich ein Text liest, den man für eine Suchmaschine schreibt, deren Algorhitmus  sich fortwährend ändert. Egal. Was dabei passiert … der Markt der Schreiberlinge wächst. Und weil man es nicht besser weiß, nennt man sich Texter. Ist ja nicht geschützt. Gemeinhin bezeichneten sich aber nur zwei Gruppen als Texter: der Werbetexter und jemand der Songtexte schreibt. Und deren Leistung hat einen Preis, der nichts mit der Anzahl an Worten oder der Zeit zu tun hat, die man dafür braucht, sie zu Papier oder auf den Bildschirm zu bringen. Der Claim „Geiz ist geil“ hätte exakt 13,5 Cent gekostet. Würde man den „fairen“ Mindestwortpreis der Plattform bei Facebook ansetzen. Klar, so ist das nicht gedacht. Ist ja der Preis für „Mengentext“. Je mehr man zu schreiben hat, desto billiger wird es. Logisch. Über die Worte in einem Produkttext denkt man ja nicht nach. Und wenn man „Content“ schreibt, fließt das ja einfach so vom Hirn in die Fingerspitzen und die tippen wie fleißige kleine Maschinen tolle Worte in die Tastatur. Ohne Recherche, Einarbeitung und Nachdenken. Der legendäre Texter Ed McCabe soll mal gesagt haben, “Man bezahlt einen Zuchtbullen nicht nach der Zeit, die er für seine Arbeit benötigt.” Das ist das nächste Paradoxon bei der Honorierung von Textern: die Zeit. Wer seinen Handwerk versteht, gut und dabei schnell ist, verdient wenig. Wer trödelt wird reich. Was, wenn einem ein Mörder-Claim beim Kacken nach 5 Minuten einfällt? Ein Claim, der das Unternehmen über Jahre prägt und in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeht. Was darf der kosten? Mit Stundensätzen ist es das gleiche wie mit Wortpreisen. Sie sind beide das Ergebnis von Leuten, die zu faul oder dumm sind, einer Leistung mit Verstand einen Preis zuzuordnen. Nix Transparenz. Wie will der Rechenschieber beurteilen, wie lange es für ein Wort braucht und was es im einzelnen wert ist. Erstaunlich, die Großen im Geschäft erkennen nach Jahren, dass die Branche sehenden Auges in die Stunden-Falle getappt ist. Und andere Leute fangen jetzt an, mit solchen Wortpreis die nächste Stufe der Blödheit zu erklimmen.

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